BEO: Preethi, du warst in diesem Jahr Teil der Eurobest Jury. Wie war das für dich und was hast du dabei mitgenommen?
Preethi Mariappan: Wir haben zwei volle Tage nonstop mit sehr viel Energie zusammen gesessen. Was mir bei der Bewertung aufgefallen ist, ist die unglaubliche Vielfalt der Cases. In dem Bereich Interactive z.B. können wir nicht nur von einer Disziplin sprechen, weil es alleine zu diesem Thema so viele Unterdisziplinen gibt. Für mich war es dabei sehr interessant, die vielen Kulturen hinter den verschiedenen Projekten zu erkennen und zu sehen, wie sie in den Ergebnissen widergespiegelt werden. Wir haben uns bei der Bewertung auch stark auf das Handwerk hinter den Projekten konzentriert. Das Niveau war hier sehr hoch.
Besonders aufgefallen ist mir, dass digitale Agenturen dank dem Einsatz von Technologien Projekte schaffen können, die global funktionieren. Es gab auch viele gute lokale und regionale Projekte, aber die globalen waren fantastisch, weil man sieht, dass das Talent da ist. Es ist wirklich das erste Mal, dass ich das in dieser Form und auf diesem Niveau erleben konnte.
BEO: Also liegt momentan ein Schwerpunkt in technologischen Lösungen, die globale Projekte möglich machen?
Preethi Mariappan: Ja, und die vor allem kreatives Denken über mehrere Märkte möglich machen. Das habe ich von dieser Veranstaltung mitgenommen: Die Ambition zu sehen, was wir erreichen möchten und was für uns alles möglich ist. Die Dynamiken und Logistik hinter der Herangehensweise an Kampagnen und Projekte verändern sich, wenn man an Multi-Markets denkt. Auch bei der Entwicklung eines europäischen Projekts, muss man verschiedene Kulturen berücksichtigen und versuchen, sie zu verstehen. Technologie kann hierbei helfen und sich an die einzelnen Kulturen anpassen.
BEO: Neben den kulturellen Werten spielen auch soziale Werte eine große Rolle in den heutigen Kampagnen. Bei der Eurobest gibt es von Razorfish einen Vortrag zu den Social Influencers. Was kannst du uns dazu sagen?
Preethi Mariappan: Vor ein paar Jahren ging es uns noch vor allem darum, auf Social Media Plattformen präsent zu sein und mit den Kunden zu kommunizieren. Das hat bei diesen noch jungen Plattformen ausgereicht. Jetzt sind diese Plattformen gereift und User sind zu Experten mit ihren eigenen Followern in diversen Bereichen geworden. Je mehr Mainstream und somit voller solch eine Plattform wird, desto schwieriger ist es für eine Marke, dort gehört zu werden. Deswegen arbeiten wir jetzt mit Influencern. Diese betrachten wir auf verschiedene Art und Weise: Früher waren unsere Influencer prominente Menschen. Für die nächste Generation, die in und mit der digitalen Welt groß wird, ist das nicht mehr maßgeblich. Ein Influencer kann aus den sozialen Medien heraus entstehen und genauso viel bedeuten wie ein Prominenter, den wir aus anderen Medien kennen. Wir sehen in der Zusammenarbeit mit Influencern viel Potential für die Kommunikation mit der Zielgruppe und das hat auch unser Modell etwas verändert. Denn wir wollen authentisch und echt sein, das schaffen wir nur durch einen echten Werte-Austausch zwischen den Influencern, der Community und der Marke. Das hat uns dazu gebracht, uns sehr auf den Wert zu konzentrieren, den wir der Zielgruppe liefern, anstatt nur an die Kampagne zu denken. Letztendlich müssen wir eine Dienstleistung anbieten, die der Community weiterhilft.
Einer unserer Cases ist zum Beispiel All Things Hair.
Das Thema ‚Haare’ ist eines der am meisten gesuchten bei Google. Unsere Idee dabei war, nicht einfach ein eigenes Projekt zu erschaffen, sondern eines gemeinsam mit der Community aufzubauen. Denn diese Menschen versuchen gerade dieselben Probleme der Zielgruppe zu lösen wie wir. Dabei bewegen wir uns von dem reinen Kampagnendenken weg, hin zu Programmdenken und vor allem Contentdenken.
BEO: Bei solch einem Projekt wie „All Things Hair“, wie viel Marke steckt da noch in dem Content?
Preethi Mariappan: Es ist tatsächlich „all brand“. Die Stylistinnen sprechen über das Problem und zeigen dann, wie man die Marke und das Produkt benutzt, um das Problem zu lösen. Wir benutzen ja diese Produkte auch alle in unserem Alltag, wir wollen sie ja benutzen. Wir möchten nur keine Werbung dafür sehen. „All Things Hair“ reagiert genau darauf. Die Influencer sind Experten, die versuchen einem zu helfen.
BEO: Und dabei wird dann letztendlich klassisches Product Placement benutzt, nur auf eine sehr natürliche Art der Integration geachtet?
Preethi Mariappan: Ganz genau. Es ist komplett natürliches menschliches Verhalten und das Produkt passt sich dem an. Die Technologie hilft dabei einfach nur, den Inhalt zur richtigen Zeit an die richtigen Menschen zu bringen und das Teilen dieses Inhalts möglich zu machen. Das Projekt spiegelt einfach menschliches Verhalten wieder, denn wir unterhalten uns ja im Privaten auch über Produkte.
BEO: Habt ihr bei dem IKEA „Hej“ Projekt dieselbe Strategie verfolgt?
Preethi Mariappan: Ja, bei Ikea ist interessant, dass es sich dabei schon um eine sehr geliebte Marke handelt. Fast jeder von uns hat oder hatte schon mal ein Ikea Produkt zu Hause. Die heutige Zielgruppe ist da eine Herausforderung: Wir können nicht erwarten, dass sie eine Beziehung zu einer Marke aufbaut, die ihnen nicht die Hand reicht. Die Hej-Community bringt Ikea-Fans zusammen und gibt ihnen eine Stimme. Die Ikea Fans sind Menschen wie Du und ich und sie zeigen uns, wie sie Ikea Produkte in ihrem Zuhause nutzen. Das inspiriert einen, diese Produkte selbst auf kreative Art und Weise zu nutzen. Wir haben die Ikea Produkte aus dem Katalog genommen und im realen Leben der Menschen gezeigt, das verleiht ihnen mehr Relevanz. Das Projekt ist noch ganz neu. Wir möchten bald auch Real-Time-Content auf der Seite launchen. Ein nächster Schritt wird dann sein, Fan-Empfehlungen zu nutzen und daraus neue Produkte zu gestalten.
BEO: Das passt zu dem Trend, der auf der Eurobest zu beobachten ist. Es scheint, als wollen vor allem Agenturen einen Schritt zurück gehen und aufhören, künstliche Bedürfnisse zu schaffen.
Preethi Mariappan: Das stimmt, denn die Idee muss gar nicht von uns als Agenturen kommen. Die Menschen da draußen haben so viele gute Ideen und wissen selber besser, was sie brauchen. Unsere Rolle ist es, das richtige Ökosystem für sie zu erschaffen. Dann verbinden sie sich automatisch mit der entsprechenden Marke und Ikea ist dafür ein sehr gutes Beispiel.
BEO: Aus der Management Perspektive betrachtet scheint es, dass wir selbst mit einem Produkt im Mittelpunkt immer mehr Fokus auf die dazugehörigen Dienstleistungen legen müssen.
Preethi Mariappan: So ist es auch. Dienstleistungen sind ein wesentliches Element um eine Beziehung mit der Zielgruppe zu erschaffen. Mit dem Influencer Marketing haben wir die Möglichkeit, die Realität näher an das Universum des Marketings zu bringen. Je echter wir sind, desto enger wird die Beziehung zur Zielgruppe. Vor allem auch, weil wir nicht nur bestehenden Influencern eine Plattform bieten, sondern den anderen ermöglichen, selbst zu Influencern zu werden. Letztendlich spiegeln wir in solch einem Projekt nur unsere eigenen sozialen Strukturen wieder.
BEO: Was macht für dich deine Arbeit besonders spannend, was macht dir selbst am meisten Spaß?
Preethi Mariappan: Ich denke Formate verändern sich ständig, Strukturen auch, weil sich Technologien verbessern, aber eines ist dabei immer spannend: Wenn wir Marken, Technologie und Storytelling zusammenbringen können und das auf eine Art, die dem Leben von Menschen gewisse Werte beisteuert. Wir sind jetzt an einem Punkt angelangt, an dem wir im digitalen Geschäft Spaß mit den Ideen und Möglichkeiten haben können, mehr denn je. Es wird damit immer wichtiger, ein gutes Verständnis vom Wesen der Menschen und von unserem Wertesystem zu bekommen. Ich denke, dass wir Kreativen im digitalen Bereich sehr viel Glück mit unserer Arbeit haben, weil wir mit so viel Potential an Innovationen und Veränderungen arbeiten können und Marketing nicht mehr im Sinne von Verkauf, sondern im Sinne von Veränderung zum Besseren nutzen können.
BEO: Vielen Dank, Preethi, für das Interview.
Foto: Forvision
BEO-Autorin: Sophie Berke