Hier sind fünf Highlights der MIPTV 2016, die Marken und Agenturen interessieren.
1. Das Brands@MIPTV Panel: Marken als Creators
Wie große Marken, die inzwischen eigene Content-Verantwortliche eingestellt haben, die Content-Herausforderung für sich annehmen, das wurde auf dem Panel am Dienstag diskutiert.
Laura Henderson, Head of Media and Monetization, Mondelez International USA (im Bild in der Mitte) sprach deutliche Worte: „Über kurz oder lang ist ein Shift von klassischer Werbung hin zum Content unumgänglich“. Denn ein „Mehr an klassischen Werbespendings“ würde oftmals kein „Mehr an Umsatz“ für die Marke bedeuten.
Content verspreche da ein anderes Consumer Engagement. Für Oreo wurde zum Beispiel ein asiatisches Format mit neu vertonten Songs für Oreo aufgenommen. Oreo stand dabei keineswegs über Branding im Vordergrund. Es ging darum zu zeigen, dass man sich mit Oreo immer selbst neu erfinden kann. Viele Formate sollen folgen.
Zunächst war es nur eine App für Quizfragen, um Daten zu sammeln. Dann entwickelte Ase Ericson, Head of TV &Event, Swedish Postcode Lottery (Novamedia) daraus auch eine eigene TV-Show. Mit dem eingenommen Geld werden Charity-Maßnahmen realisiert, was viele zum Mitmachen animiert. Neue TV- und Web-Shows, die in der Nachbarschaft spielen, etc. sind in Planung. Diese werden im Auftrag der Sender von Novamedia selbst produziert. Ericson gibt anderen Marken u.a. auch den Tipp, kostenfreie Umfragen unter den Usern zu machen, um herauszufinden, welche Preise verlost werden sollen. Umfragen binden User an die Marke und liefern wichtige Daten.
Neset Dereli, Interactive Marketing Manager, Turkish Airlines, setzt zunächst auf Instagramer, die von Istanbul in die Welt entstandt wurden (Fortune Traveller) und im nächsten Jahr u.a. auf Instagramer, die von überall in der Welt nach Istanbul kamen. Als Reiseportal sind Bilder eine passende Sprache im Content-Bereich.
Catherine Balsam-Schwaber, Chief Content Officer Mattel USA, gibt Einblicke in die Content Produktion für Mattel. Sie ist der Meinung „Content muss immer für sich selbst stehen können“, ganz egal ob der Absender eine Marke ist oder nicht. Dies sei zum Beispiel bei Serien wie der für „Monster High“ von Mattel der Fall.
Anschließend gab es ein Matchmaking der Markenvertreter, die über Andrea Kaul Consulting für die MIP Digital Fronts interessiert wurden, mit den MCNs vor Ort.
2. Brand of the Year 2016: Mattel
Wir kennen die neuen Barbies des großen Spielzeug-Hersteller, in groß und klein, dick und dünn. Doch was steckt dahinter? Welche Markenstrategie verfolgt Richard Dickson, Präsident und COO Mattel in der Zukunft. Dickson gab zu, dass es Zeit war neue Wege zu gehen bzw. sich auf die Herkunft der Marke zu besinnen. Denn ganz zu Beginn hatten die Gründer eine enge Freundschaft zu Walt Disney gepflegt und hatten sich getraut, TV-Spots in dessen neuen Kinder-Filmen zu schalten.
Übertragen auf die heutige Zeit heißt dies, dass diese Marke mit den Toys in jedem Falle Kooperationen mit den neuen Medien schließen wird. Es geht um eigenen Content, um neue Filme, Serien, Video aber auch um die Zusammenarbeit mit Bloggern und Vloggern. Nicht zuletzt deshalb ist angedacht, für Barbie demnächst eine Snapchat-Video-Aktion starten, um mit den Kids dieser Zeit zu kooperieren (#thedollevolves).
Wenn man die Mattel-Marke Hot Wheels betrachtet, dann sieht man zunächst kleine Autos. Doch die Kinder lassen diese durch Bahnen, die über mehrere Stockwerke gehen und Kinderzimmer durchkreuzen zu spannenden Rennautos werden. Dieser User Generated Content sowie Shows, die dazu ermutigen helfen dabei auch dieses Spielzeug für Kids zum Leben zu erwecken. „Everything can be hot wheeled,“ so Dickson. Einige Beispiele für mutige Schritte in die Zukunft, die Mattel zur Brand of the Year 2016 machten.
3. Digital Fronts:
YouTube + Talent + Brands = The Influencer Marketing Recipee
eSports wird als wichtiger Trend angesehen, der gleich von mehren von mehreren MCNs angesprochen wurde. Präsentiert hat ihn James Glasscock, SVP Business Development Machinima USA. Dabei handelt es sich um Gaming Events, organisiert sogar als ESL eSports League, die ihren Ursprung in Korea haben. Sie machen, ähnlich einer riesige Sportveranstaltung Video Gaming greifbar, für die Lets Player-Gamer und die zahlreichen Zuschauer. Marken wie McDonalds und Visa haben das Potential längst erkannt und sind bereits eingestiegen, doch das Potential bewegt sich hier bis im Millionenbereich.
Sehr spannend zudem ein Portal aus der Fußballwelt „The Football Repblic (TFR)“, das für Fremantle Media von Shotglass Media UK vorgestellt wurde. Es wurde in 2015 gelauncht und bringt bereits 15 Mio. Views pro Monat auf die Plattform. Regelmäßig werden dort aktuelle Fußballthemen und die größten Games besprochen, gezeigt werden u.a. witzige Videos mit bekannten Fußballern.
Auch der deutsche Broadcaster RTL Group verfolgt den digitalen Weg, wie Co-CEO Guillaume de Posch in seiner Key-Note offen legt. „Die Wertschöpfungskette ändert sich, deshalb investiert die RTL Group stark in MCN-Aktivitäten und in Programmatic Advertising“, so de Posch (siehe Foto unten).
Beeindruckend ist die Tatsache, dass ganz junge User aus der Generation CC (Cultural Creators) wieder einen Hang zur Poetry verspüren wie Kelly Day, DCO Awesomeness TV erzählt. Vielleicht rührt von der Notwendigkeit mit 140 Twitterzeichen auszukommen und sich kurz zu fassen ergibt. Einer von fünf Jugendlichen veröffentlicht regelmäßig jede Woche Gedichte. Standen früher noch Geld und Status im Vordergrund der Ziele, die Jugendliche erreichen wollten, geht es heut bei 94% von Ihnen darum „sich selbst zu verwirklichen“ und „man selbst zu sein“, wie eine aktuelle Umfrage ergab.
4. Virtual Reality für Marken: ‚The next big thing’
Wenn wir uns ansehen, was die Content-Community derzeit am meisten inspiriert, dann ist es definitiv das Thema “Virtual Reality“, das auf der MIP am Mittwochnachmittag präsentiert wurde. Wir alle werden bald ein bis zwei mal pro Woche ganz selbstverständlich VR Devices nutzen, heißt es dort. Die „Brillen“ werden immer günstiger. Eine Occulus Rift gibt es erst für 700 EUR, aber Devices von Samsung bereits unter 100 EUR und faltbare Papp-Devices, die man sich für ein gutes VR-Erlebnis vor das Smartphone klemmen kann, schon für 15 EUR pro Stück.
Matthias Puschmann, Geschäftsführer Vast Media sprach mit VR Kollegen Key Meseberg, Arte Frankreich, Stephane Rituit, Felix & Paul Studios Canada, und Thomas Wallner, Deep Canada, über die Dos and Donts der Produktion und über technische Voraussetzungen. Anders als bei anderen Produktionen ist es hier am wichtigsten den User in den Mittelpunkt der Überlegungen zu stellen. Denn welchen Sinn macht es, wenn der User gerade rechts im Bild auf einen Plastikkorb blickt während links “die Post abgeht” und ein Ballon in den Weltraum steigt?
Um das in den Griff zu bekommen, werden gerade neue Techniken erprobt, die User Experiences zum Beispiel über die richtige Lichtgebung leiten. Hier ist noch viel zu lernen und ein Austausch im internationalen Bereich ist notwendig. Man spricht von der „vierten Perspektive“, die Produzenten einnehmen müssen. Es ist eine Gradwanderung zwischen User Experience und Storytelling.
Einer der ersten VR-Werbetreibenden, die hier im größeren Stil Erfahrungen sammeln ist das französische Telekommunikationsunternehmen Orange. Sie führen die User in ein Wohnzimmer, das je nach Wunsch up-to-date mit cooler Treppe und Sitzecke gestaltet sein kann oder alternativ in ein 70ties Zimmer mit Flokati-Teppich gewechselt wird. Genauso, wie sich der User wohlfühlt, beschreibt es Morgan Couchet, VP Digital Content & Innovation / Head of VR, Orange Frankreich. Der hat über virtuelle Screens in diesem Zimmer dann die Möglichkeit Filme anzuwählen und anzusehen.
5. Neues aus der Welt der TV- und digitalen Formate
Natürlich werden im Rahmen der MIPTV auch neue TV-Formate vorgestellt. Virginia Mouseler, CEO The Wit, Schweiz ging uns dieses Mal neben diversen Casting-Shows, Krimi-Noir-Formaten und Animal Parodien, mit zwei Formaten unter dem Sammelbegriff „Emo-Tainment“ (Emotion und Entertainment) so richtig „an die Nieren“.
In den Niederlanden gibt es ein TV-Format, das kürzlich Verstorbene noch einmal zu Wort kommen lässt. Die Botschaften für die Angehörigen wurden kurz vor dem Tod aufgenommen und die Hinterbliebenen werden gefilmt während diese sie Botschaften erreichen. Hoch emotional, aber die Niederlande gehen gerne über Grenzen, fand dort doch auch das erste „Big Brother“ statt, als es noch „als ungehörig“ galt bei allen Tätigkeiten gefilmt zu werden.
Doch in Japan ging man sogar noch einen Schritt weiter. Hier gibt es ein Makeover-TV-Format, das den Besuch eines Verstorbenen inszeniert. Natürlich wissen alle Beteiligten, dass es sich bei der nach einem alten Foto intensiv in der Maske bearbeiteten Person nicht um die reale Person handelt. Doch es weckt die Gefühle der Beteiligten, wenn das Aussehen dem des geliebten Menschen so ähnlich ist. Man stellt Familienmitglieder vor und spricht über Dinge, die man gerne gesagt hätte.
Da bleiben wir aus Deutschland bodenständig mit dem internationalen Earth TV, einem der Sponsoren der MIP. Earth TV liefert rund um die Uhr ein neues Programm aus, aufgenommen mit zahlreichen Kameras, die auf der ganzen Welt an spannenden Plätzen installiert wurden. In Deutschland wird es u.a. auf n24 und Bild.de eingespielt und erreicht eine hochwertige Zielgruppe, die sich für native Advertising eignet.
„Live is the new cool“ für Content, in einer nicht-linearen Welt. Dan Biddle, Director of Strategic Innovation, Twitter UK (hier im Bild mit BEO-Autorin, Sandra Freisinger-Heinl) sieht darin eine große Möglichkeit für Marken im Branded Entertainment-Bereich aktiv zu werden. Via Periscope geben Stars zum Beispiel Einblicke in Formate bevor sie zum Beispiel auf eine TV-Show Bühne gehen. Periscope zu nutzen und auf Twitter darüber zu sprechen hält die User ganz eng an den YouTuber gebunden und YouTuber sind sich ihres Platzes in dieser Entertainment Welt vollständig bewusst.
Über die MIPTV 2016: Wer der Meinung ist, dass es sich bei der MIPTV um einen reinen Marktplatz für den An- und Verkauf von Filmen handelt, sollte dies überdenken. „The power of Fans“ lautete das Motto und immer häufiger stehen Marken im Vordergrund die selbst Content-Provider sind. Auf der MIP Digital Fronts sind zudem wichtige Multi Channel Networks und digitale Player wie Studio 71, Endemol Beyond, Webedia, Maker Studios und Vice Media mit ihren YouTubern vertreten.
Fotos: BEO/SF / MIPTV