Die YouTube-Serie Ehrenpflegas des Bundesfamilienministeriums soll eine Ausbildung in der Pflege für junge Menschen attraktiv machen. Das klingt ja ganz gut. Vor allem wenn man bedenkt, dass laut der Deutschen Krankenhausgesellschaft bis 2030 rund 190.000 zusätzliche Pflegekräfte benötigt werden. Das Image der Branche könnte dabei auch ruhig ein wenig aufpoliert werden, um es attraktiver für junge Menschen zu machen. Und was funktioniert besser bei jungen Leuten als Branded Entertainment?
Branded Entertainment ist eine Kunst
Branded Entertainment ist die Verbindung von Brand Storytelling und Entertainment. Am besten funktioniert es, wenn der Brand Manager und der Content Produzent eng miteinander arbeiten. Denn die Marke profitiert am Ende nur von dem Investment, wenn die Geschichte nicht nur gut erzählt ist, sondern auch ein “brandfit” ist. Das heisst wirklich zur Marke passt und ihre Geschichte glaubwürdig und für die Zielgruppe relevant erzählt wird. Häufig scheitern Branded Entertainment Projekte daran, dass die Marke zu sehr im Vordergrund steht und das zielgruppenrelevante Storytelling zu kurz kommt und daher keine Resonanz beim Publikum findet. Um das zu vermeiden, hat sich das Bundesfamilienministerium an die Entertainment-Spezialisten Deutschlands gewandt.
Fack ju Pflege
Die 5-teilige Miniserie ist Teil der Image-Kampagne “Mach Karriere als Mensch!” und soll unkonventionell und unterhaltsam über den Pflegeberuf und die neue Pflegeausbildung informieren und die Jugendlichen auf deren Kanälen erreichen. Die Serie begleitet daher drei angehende Ehrenpflegas in der neuen Generalisten-Ausbildung, die seit einem Jahr alle Bereiche der Pflege in den ersten zwei Jahren lehrt. Die Hauptrollen besetzen Lena Klenke und Danilo Kamperidis, bekannt aus der Netflix-Serie How to Sell Drugs Online (Fast) sowie Dark-Darstellerin Lisa Vicari. Produziert wurde Ehrenpflegas von Constantin Entertainment, einer Tochterfirma der Constantin Film AG, die wiederum hinter Fack ju Göthe steht. Die Parallelen zu Fack ju Göthe sind auch gleich zu erkennen. In „Fack ju Göhte“ wird ein Loser-Typ plötzlich Lehrer, in „Ehrenpflegas“ landet die Hauptfigur Boris auch eher zufällig auf der Pflegeschule. Motivation? Arbeitsethos? Idealismus? Keine Spur. Boris betont: „Ausbildung heißt bei mir, ich mach die Probezeit, hab dann einen Vertrag und sch… dann drauf. Kassier mein Cash und chill wie ein Maulwurf.“
Image-Kampagne vermittelt kein realistisches Bild der Pflege
Darin zeigt sich das Grundproblem der Serie. Die Macher trauen sich offensichtlich keinerlei Argumente zu, warum eine Pflegeausbildung sinnvoll und erstrebenswert sein kann. Die Image-Kampagne wagt nie den Versuch, ein realistisches Bild von Ausbildung und Beruf zu vermitteln, sondern bleibt ganz im Rahmen einer dumpfen Klassenzimmerkomödie, wie Fack ju Göthe eben. Abgesehen von Fremdschäm-Humor und übertriebenem Jugendslang hat die Regierungsproduktion leider nicht allzu viel zu bieten. Seht selbst:
Im FAQ zur Serie heißt es: “Das Format entspricht in jungen Altersgruppen beliebten Serien und bedient sich einer modernen Bildsprache. Eine Verzerrung der Realität ist dabei Teil des humoristischen Konzepts.” Allerdings misslingt dies spektakulär. Bei allem Verständnis für moderne filmische Stilmittel stimmt es sehr nachdenklich, dass weder den Machern noch den Auftraggebern außer Aspekten wie entspanntes Arbeiten („mit den Alten chillen“), ungehinderter Medienkonsum („muss das Handy nicht abgeben“) und einer tollen Ausbildungsvergütung („gebrauchtes Golf Cabrio fahren“) reale Eigenschaften des Pflegeberufs als attraktiv und darstellenswert in den Sinn kommen. Wie soll echtes Interesse an einem Beruf geweckt werden, wenn die Aufgaben und das Wesen des Berufsbildes nicht mal im Ansatz erkennbar werden? fragt die Vereinigung der Pflegenden in Bayern. Leider haben die Produzenten und Auftraggeber dem “Branded”-Teil zu wenig Beachtung geschenkt, wodurch es nun zur vorwiegend negativen Resonanz von Seiten von Pflegefachkräften auf die Serie kam. Der erste Schritt in der Branded Entertainment-Produktion ist jedoch immer sich erstmal mit der Brand auseinanderzusetzen und dann erst den Bogen zur Zielgruppe zu schlagen.
Branded Entertainment ohne das “Branded”
Leider ist aber bei Ehrenpflegas keine Organisation, die Pflegeberufe vertritt, in die Produktion einbezogen worden. Die Darstellung verletze “Selbstverständnis, Ethos und Pflegefachlichkeit der Berufsgruppe”, sagt der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe. Die Pflege sei kein “Auffangbecken für alle Personen, denen an anderer Stelle keine Perspektive eröffnet wird”. Cool sein zu wollen reicht halt auch im Bundesfamilienministerium nicht. Vielen stößt zudem der Umgang mit Patienten auf, der in „Ehrenpflegas“ dargestellt wird. Dieser sei respektlos und spiegele nicht die Realität wider. Fack ju Pflege sozusagen.
Beim nächsten Mal sollte das Bundesfamilienministerium darauf achten, dass nicht nur die Entertainment-Seite von Profis abgedeckt ist, sondern auch die Brand-Seite. Die Bundeswehr hatte es ja bereits vorgemacht: