Die Möglichkeiten zur kreativen Umsetzung von Branded Entertainment Projekten im deutschen Fernsehen sind sehr überschaubar. Dies ist in erster Linie den sehr einfach gestrickten Drehbüchern und den unkreativen Redaktionen in den deutschen TV-Sendern geschuldet. D.h. abgesehen von Autos, Modeprodukten und touristischen Dienstleistungen wird es sehr schwierig, um nicht zu sagen unmöglich, andere Produkte und Dienstleistungen in die Handlungen von TV-Spielfilmen und TV-Serien durchgängig einzubinden. Dabei zeichnet es sich inzwischen an allen Ecken und Enden der Werbewirtschaft sehr deutlich ab, das Werbung und Programm in diesem Jahrzehnt eine globale Fusion eingehen. Man mag das gut finden oder auch nicht, aber nur wenige Wege führen daran vorbei.
Das Kernproblem im deutschen Fernsehen ist die konsequente Verweigerung gegenüber jeglichen Marketingansätzen. Man verfolgt althergebrachte Strategien und hat deshalb lediglich noch Erfolge in der Zielgruppe 60plus mit öffentlich-rechtlichen TV-Serien wie „Um Himmels Willen” oder der „Bergdoktor” zu verzeichnen. Kommerzielle Erfolge mit deutschen TV-Serien oder TV-Movies in den jüngeren Zielgruppen sind echte Mangelware und durch die zehnte me too Version einer Casting Show wie zum Beispiel „X-Factor” nur der Beweis für nicht genutztes Marketingwissen in der Format- und Programmentwicklung. Und genau an diesem Punkt kann nun auch in Deutschland endlich das klassische Branded Entertainment im fiktionalen TV-Programm ansetzen. Denn auf der Seite der Werbungtreibenden gibt es durchaus Marketingexperten, welche aber so gut wie keine Erfahrung mit der Entwicklung von TV-Movies oder TV-Serien haben. Schließlich sind sie für Waschmittel, Bier und andere Produkte bzw. Dienstleistungen als Spezialisten zuständig. Und weil seitens der TV-Sender nicht die entsprechenden Schnittstellen zur inhaltlichen Mitgestaltung an TV-Serien und TV-Spielfilmen angeboten werden (weil deren Vermarkter diesbezüglich entmündigt sind), eröffnet sich hier ein neuer Dienstleistungsmarkt: Die Beratung für Branded Entertainment in Film und TV.
Seltsamerweise werden in den USA und auch in Großbritannien TV-Serien nicht mehr unbedingt dem Zufall überlassen. Als Klassiker hierfür gilt die TV-Serie DALLAS (1976), welche zugleich auch die erfolgreichste TV-Serie der Welt war und in diesem Jahr wieder mit neuen Folgen weltweit auf die Fernsehbildschirme zurückkommt. Der Erfolg ist also auch in der TV-Serienbranche durchaus steuerbar. Doch kommen wir zurück nach Deutschland und betrachten wir einen Kernmarkt des Product Placement und damit auch des Branded Entertainment: Den Automobilmarkt. Für VW mag es zwar ganz nett sein, seit der Saison 2011/2012 erstmals mit einem Pickup in der TV-Serie „Forsthaus Falkenau” präsent zu sein. Aber erreicht man mit dieser TV-Serie nicht nur eine Randgruppe der deutschen Pickup Käufer? Die Misere der fehlenden deutschen TV-Serien für jüngere Zielgruppen wird immer offensichtlicher und damit auch immer brisanter. In Deutschland kämpfen Mercedes, BMW, AUDI, VW, Ford und einige andere Automobilhersteller um einen „Platz an der Sonne” im fiktionalen deutschen TV-Programm. Doch Klassiker im Markenauftritt in deutschen TV-Serien wie der BMW in „Derrick” sind längst Geschichte. Deshalb ist Nachdenken durchaus angebracht.
Branded Entertainment hat in der Automobilbranche bereits eine längere Tradition. Es begann spätestens mit der Kinoreihe „Ein ausgekochtes Schlitzohr” (Original: Bandit) Mitte der siebziger Jahre mit einem Pontiac TransAm Sportwagen zusammen mit Burt Reynolds in der Hauptrolle. Man wusste bereits damals, dass sich Verfolgungsjagden positiv auf das Image der Automobilmarke auswirken würden. Außerdem sorgen positive automobile Actioneinlagen für einen direkten messbaren Abverkauf der Fahrzeuge, wie dies auch bei diesem Kinospielfilm eindrucksvoll der Fall gewesen ist. Nicht umsonst war gezielt ein neues Fahrzeug in diesen Film integriert worden, welches beim Kinostart dann auch erstmals in den Verkaufsräumen der Autohändler stand. Von da ab dauerte es noch gute 10 Jahre bis zum nächsten Meilenstein in diesem Geschäft: Die amerikanische TV-Serie „Viper” rund um den gleichnamigen Sportwagen von Chrysler. Diese TV-Serie lief von 1993 bis 1999 und war ein Instrument zur Markenbildung des damals neuen Sportwagens von Chrysler, welcher sich gegen etablierte Marken wie Porsche und Ferrari durchsetzen musste.
Die Zutaten für ein erfolgreiches Branded Entertainment im Automobilbereich wären damit grob skizziert und damit können wir zur Umsetzung für den deutschen TV-Markt im Jahr 2011 schreiten. Sowohl der TV-Markt ist angesichts der digitalen Revolution einer grundlegenden Umwälzung unterworfen als auch der Automobilmarkt durch den Aufstieg neuer Marken sowie die neuen Antriebssysteme. Beide Märkte werden sich bis Ende des Jahrzehnts stärker verändert haben, als dies in den letzten 50 Jahren der Fall war. Eine Markenbildung durch Branded Entertainment kann man nur durch eine TV-Serie erreichen, welche mindestens 2 bis 3 Jahre läuft und prägnant, d.h. erfolgreich ist. Das Problem der deutschen TV-Serien ist deren Austauschbarkeit. Die Inhalte sind weitestgehend durch die anderer TV-Serien zu ersetzen (achten Sie zum Beispiel einmal bei deutschen Ärzteserien auf die Krankheiten: Auf dem ersten Platz steht der Blinddarm und das mindestens seit den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Eigentlich müsste inzwischen jeder Deutsche die Symptome in- und auswendig kennen! Und ist bei „Dr. House” jemals ein Blinddarm aufgetaucht. Nein. Das würde in dieser TV-Serie nicht funktionieren, weil sie dann nach 2 Minuten erzählt wäre). Und auch die Schauspieler sind insofern austauschbar, als quer durch alle Sender seit 50 Jahren die gleichen Gesichter auf dem Bildschirm erscheinen. Wie sollen da Markenpräferenzen für bestimmte TV-Sendermarken geschaffen werden? Den TV-Sender erkennt man in Deutschland lediglich durch das Senderlogo und sehr selten durch dessen Inhalte. Und das rächt sich nun. Die jüngeren Zuschauer wandern insbesondere von den öffentlich-rechtlichen TV-Sendern dramatisch ab. Der Mauerfall hierzu begann 2005 durch youtube und noch ist kein Ende erkennbar.
Krimiserien wie der „Tatort” können im automobilen Marketing lediglich eine Platzhalterfunktion übernehmen. Das Auto des Kommissars wird zwar gut erinnert, aber der Verkaufsimpuls fehlt komplett. Das ist bei einer Action-Serie anders. Hier werden Kaufimpulse ausgelöst und auch die Imagewerte der Automobilmarke verändern sich signifikant. Insofern war es konzeptionell durchaus eine überlegenswerte Idee aus der Kinoreihe „Transporter” eine TV-Serie zu machen. Doch ohne Jason Statham in der Hauptrolle ist das keine so sichere Bank wie sich das RTL vorstellt. Das kann man bereits in der dritten Folge der Kinoreihe von „Transporter” gut erkennen. Da wird inhaltlich nicht viel Neues geboten. Die ersten Folgen von „Transporter – die Serie” werden deshalb auf RTL noch relativ gut laufen, aber dann wird man das fehlende Serienpotenzial erkennen müssen. Bereits im Herbst 2011 begann der Kampf um den begehrten Action-Sendeplatz am Donnerstag auf RTL. Doch mit den Serienpiloten zu „World Express” und „IK – Touristen in Gefahr” waren die vorstehenden Mängel wieder gut ersichtlich und die Zuschauer haben dementsprechend reagiert. Aus „World Express” hätte man sehr gut ein Branded Entertainment Projekt für einen Kurierdienst entwickeln können. Das hätte einerseits interessantere echte Geschichten erbracht und der zusätzliche Marketingschub wäre auch nicht von schlechten Eltern gewesen. Leider machen sich die deutschen TV-Produktionen hierzu keinerlei Gedanken.
Die Impulse hierfür müssen tatsächlich von außen kommen, sonst wird sich auch weiterhin nicht viel ändern. Beim Branded Entertainment in Form einer TV-Serie steht zunächst einmal die Marketingplattform im Vordergrund und die lautet: Einem Automobilhersteller eine unterhaltsame Möglichkeit zur Bewerbung seiner Produktpalette im Fernsehen anzubieten. Zusätzlich sollten weitere Marketingkooperationen für andere Branchen möglich sein. Man benötigt also eine TV-Serie, in welcher Autos dynamisch bewegt werden und dabei zumindest nicht sehr oft beschädigt oder gar völlig zerstört werden. Der negative Imageaspekt durch eine Beschädigung des Autos für die Marke ist bedeutend und deshalb werden in Hollywood-Filmen nicht nur aus Kostengründen ältere Fahrzeuge verwendet. Deshalb besteht die Hauptaufgabe aller Automobil-Agenten in Hollywood auch darin, die eigene Marke tunlichst aus solchen negativen Filmsituationen herauszuhalten. Aus inhaltlicher Sicht muss es ferner eine neue und eigenständige Geschichte werden, damit sie beim Zuschauer nicht als austauschbares me too-Produkt wahrgenommen wird. Dies führte dazu, die neue TV-Serie in einem Entwicklungszentrum eines Automobilherstellers spielen zu lassen. Hier gibt es junge dynamische Ingenieure, welche als Testfahrer all das erleben, was klassische automobile Action-Serien ausmacht. Und in diesem inhaltlichen Umfeld hat es bisher noch keine TV-Serie gegeben. Und dies mit dem großen kommunikativen Vorteil, dass es auf unterhaltsame Weise eigentlich um eine Automobilmarke geht. Das wird der Zuschauer jedoch überhaupt nicht erkennen, wenn man die Dosierung der Marke in dieser TV-Serie nicht unnötig überhöht. Weniger bzw. subtil ist beim Branded Entertainment letzten Endes immer mehr, wenn man die Werbewirkung betrachtet. Ist man als Automobilhersteller inhaltlich in einer TV-Serie durchgehend integriert, dann kann die Markenpräsenz im eigenen Interesse minimiert werden. Die Zuschauer von automobilen Action-Serien sind sehr gut in ihrem Spezialgebiet informiert und kennen ihre Marken, ohne dass diese plakativ visualisiert werden müssen. Und beim Rest der Zuschauer würde es nur für einen unnötigen Reaktanz-Effekt sorgen.
Mit diesen Basisinformationen kann man im ersten Schritt bereits eine Synopsis für Präsentationszwecke schreiben lassen. Zur Umsetzung eines Branded Entertainment Konzeptes muss man zunächst einen Produzenten finden, welcher ein solches Konzept auch filmisch adäquat umsetzen kann. Außerdem sollte er über die zur Platzierung des Konzeptes notwendigen Kontakte bei den relevanten TV-Sendern verfügen. Zur Präsentation bei den Produzenten genügt die Synopsis, welche man vor der ersten Präsentation bei der WGA (Writers Guild of America) registrieren lassen sollte. Sonst wird die Idee womöglich nur geklaut. Für den weiteren Werdegang des Projektes sollten für den Pilotfilm zumindest das Treatment und die ersten Fassungen des Drehbuchs zum Pilotfilm geschrieben werden. Dies dient zur eigenen Sicherheit, denn hierbei kann man bereits erkennen, ob der Stoff überhaupt serientauglich ist. Außerdem ist man bei Interesse des Produzenten für die weiteren Schritte gewappnet und kann zügig reagieren. Wenn die Synopsis als ungeeignet abgelehnt wird, dann hat man einen Volltreffer gelandet. Wird das Konzept jedoch in höchsten Tönen gelobt, dann ist es kompletter Schwachsinn. Das ist die Sprache in der deutschen Film- und TV-Branche und das sollte man wissen, bevor man sein gutes Konzept frustriert in die Tonne wirft. In der Regel werden jedoch gerade in Deutschland die guten TV-Konzepte überhaupt nicht erkannt. Sonst hätten wir wie in den USA oder Großbritannien eine TV-Industrie und nicht die inzwischen permanente TV-Branchenschwindsucht wie in Deutschland.
Die großen TV-Sender in Deutschland (ARD, ZDF, RTL, Pro7 und SAT 1) haben genügend Geld für fiktionales Programm. Deshalb ist die eigene TV-Serie im deutschen TV-Programm eigentlich sehr kostengünstig darstellbar. Die Kosten bestehen nur aus der Entwicklung der Drehbücher und nicht aus einem zusätzlichen Programmsponsoring. Das wird sich zwar in ein paar Jahren verändern, aber noch kann man sich budgetmäßig mit der Beistellung der Inhalte ein kommunikativ wirkungsvolles TV-Programm herstellen lassen, ohne den teuren Weg über die TV-Vermarkter nehmen zu müssen. Man könnte es im Extremfall sogar auf die Entwicklungskosten des Pilotfilms und der Serienbibel (das ist eine genau Beschreibung der TV-Serie ohne Seriendrehbücher) begrenzen, nur dann wäre der weitere Erfolg der TV-Serie sehr gefährdet. Dies liegt in der eingangs erwähnten Problematik der mangelhaften deutschen Drehbücher begründet. Der Quotendruck lastet inzwischen enorm auf den deutschen TV-Sendern, da ist jede kreative Hilfestellung willkommen, wenn man sich Gehör verschaffen kann.
Branded Entertainment Konzepte unterliegen der strengsten Geheimhaltung, weil ansonsten natürlich die TV-Vermarkter das große Geld wittern. Deshalb konnte ich das eigene vorstehende Projekt nur sehr allgemein beschreiben. Es wurde jedoch in diesem Jahr entwickelt und ist für 2012 pilotiert. Über die nächste Hürde entscheiden dann wie immer die Zuschauer mit ihrer Fernbedienung. Erst dann geht es in Serie.