Ist Markenschutz ein Vorteil?
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jüngst entschieden, dass die quadratische Verpackung der Ritter Sport Schokolade als Marke eingetragen bleiben und kein Konkurrent, in diesem Streitfall vertreten durch Milka, diese gleichfalls verwenden darf. Die Urteilsbegründung gipfelt darin, dass das Quadrat die Kaufentscheidung der Verbraucher nicht in hohem Maße beeinflusse. Diese Begründung müsste aus Sicht von Ritter Sport jedoch zweischneidig sein.
Denn einerseits beruht der große Erfolg des mittelständischen Unternehmens, in Konkurrenz zu multinationalen Konzernen mit höheren Marketingbudgets, im Wesentlichen auf dem Alleinstellungsmerkmal der quadratischen Form der Schokoladetafeln. Denn in der Kundenansprache ist diese eigene Form ein optischer und, in Kombination mit der einfach handhabbaren Verpackung, ein haptischer Anker, der das Produkt von anderen deutlich abhebt. Im Kern bildet dies das laut Marketinglehre wichtige sogenannte einzigartige Verkaufsversprechen (Unique Selling Proposition USP). Dieses Merkmal muss demnach das Kaufverhalten zu Gunsten der Marke Ritter Sport mit beeinflusst haben, denn viele Kunden haben sich über Jahrzehnte für die quadratischen Produkte entschieden.
Andererseits aber ist ein Monopol einer gedeihlichen Marktentwicklung auf Basis von kontinuierlich besserer Bedürfnisbefriedigung abträglich. Denn ihm ist durch fehlenden Wettbewerbsdruck die Gefahr von mangelnder Innovation und in Folge Stillstand inhärent.
Konkurrenz belebt das Geschäft
Ritter Sport hat sich nun aber vehement für den Markenschutz seiner Verpackungsform eingesetzt und das Verfahren gegen Milka durchgefochten. Das Ziel war es, zu verhindern, dass direkte Konkurrenz entsteht. Juristisch war dies nun letztinstanzlich erfolgreich. Aus marktwirtschaftlichem Blickwinkel hat man aber möglicherweise einen Pyrrhussieg erzielt. Denn es ist fraglich, ob es in einer freien Marktwirtschaft von Vorteil ist, wenn in Marktsegmenten kein Wettbewerb existiert.
Die Begründung dafür liegt im Verständnis über das Funktionsprinzip von Märkten und der Bedürfnisbefriedungen von Kundenpräferenzen. Märkte und Marktsegmente entstehen dadurch, dass ein Unternehmen ein Kundenbedürfnis erkennt und mit einem passenden Produktangebot befriedigt. Auf ein erfolgreich etabliertes Geschäftsmodell, mithin die schwierigste unternehmerische Aufgabe in einer kapitalistischen Gesellschaftsordnung, reagieren andere Unternehmer. Sie versuchen dann häufig einfach das Vorbild zu kopieren, um auch in einem florierenden Marktsegment agieren zu können. Durch weitere Anbieter entsteht Wettbewerb, der wiederum ein wesentliches Merkmal eines funktionierenden Marktes ist.
Wenn Monopole sinnvoll wären, müssten alle Markenprodukte, die zuerst eine Produktgattung begründet haben, wie z.B. das Segment Oberklasse durch Mercedes-Benz im Automobilmarkt, eigentlich auch Markenschutz erhalten und keine Konkurrenten dürften ein vergleichbares Produkt anbieten. Den Produktpionieren müssten Nachteile durch die hinzukommende Konkurrenz entstehen. Das ist in der Realität aber kaum der Fall, ganz im Gegenteil, der Wettbewerb stimuliert den Markt und davon profitieren alle Anbieter, die wettbewerbsfähig aufgestellt sind. Denn im Wettstreit der Konkurrenten um die Gunst des Kunden kommen schneller neue und besserer Produkte ins Angebot und das Preis-/Leistungsverhältnis verbessert sich. Das attraktivere und breitere Angebot bedingt mehr Werbung dafür, was wiederum das Potential erhöht mit dem die begrenzte Aufmerksamkeit beim Kunden gewonnen und dann seine Begehrlichkeit geweckt werden kann. So entstehen Kaufanreize die den Markt stimulieren.
Hier kommt die Verkaufspsychologie zum Tragen. Ein größeres Warenangebot suggeriert dem Kunden eine große Nachfrage. Um nicht in die scheinbare Gefahr zu geraten zu kurz zu kommen wird seine Kaufabsicht stimuliert, da er ebenfalls von diesen Produkten profitieren möchte um sich damit besser stellen zu können. Dadurch senkt sich die Kaufschwelle. Mehr Marktteilnehmer tragen deshalb in aller Regel zur Prosperität bei und profitieren gleichzeitig schließlich davon.
Die mögliche Auswirkung
Wenn also ein zweiter Anbieter in ein Marktsegment eintritt, muss das zwangsläufig keine negativen Folgen haben. Die Zulassung von Wettbewerb bei quadratischen Schokoladetafeln wäre demnach keine Hiobsbotschaft. Denn Konkurrenz würde dieses Marktsegment mittelfristig eher beleben und in Folge das Marktvolumen vergrößern. Nicht zum Nachteil sondern zum Vorteil der Anbieter im Markt und letztendlich der Kunden. Denn diese erhielten dadurch ein vielfältigeres und sich im Wettstreit der Anbieter kontinuierlich verbesserndes Angebot.
Zunächst einmal jedoch dürfte Ritter Sport von der medialen Berichterstattung über das Markenschutzverfahren profitieren, da mehr Aufmerksamkeit auf die Marke gelenkt wird – im Sinne von „Any news is good news“. Und in der Markenkommunikation eröffnen sich daraus auch bis jetzt ungenutzte Chancen.