Einer der einflussreichsten Werbefilme aller Zeiten, der von Apple zur Einführung des Macintosh Computers kreierte Spot „1984“, hatte bereits die Merkmale eines Branded Entertainment Formats, ohne vermutlich seither je so bezeichnet worden zu sein. Dass er überhaupt zustande kam lag in seiner Entstehungsgeschichte begründet und führte zu einem noch nie dagewesenen Erfolg einer Werbekampagne.
Die inhaltlichen Werbeaussagen bezogen sich nicht auf bestimmte Produkteigenschaften, sondern auf übergeordnete gesellschaftlich relevante Themen, die auf das neue Produkt reflektiert wurden. So etwa die Einschränkung der persönlichen Freiheit, literarisch bereits verarbeitet in Orwells Roman 1984, oder die Bevormundung und Freiheitseinschränkung durch die Macht etablierter Autoritäten. „We shall prevail“ predigt im Spot ein Führer und verkörpert damit die dunkle Seite stellvertretend für den allmächtigen Computerriesen IBM.
Diese Gesellschaftsthemen waren und sind als Gegenstand des öffentlichen Diskurses virulent. Der Film griff sie auf und reaktiviert so die Aufmerksamkeit des latent vorhandene Interesses. Mit dieser Strategie, die man heute in den Kontext „Earned Media“ stellen könnte, wurde die Basis für eine virale Verbreitung in den redaktionellen Medien gelegt. Gekonnt wurde der Bezug zum neuen Apple Produkt inszeniert und zu einer zeitgemäßen Botschaft stilisiert. Diese Botschaft war das „Versprechen“, das Bedürfnis nach persönlicher Freiheit und die Befreiung von Zwängen mit Hilfe eines Macintosh Computers verwirklichen zu können. Bestehende Wunschvorstellungen wurden adressiert, mit einem ethischen Ansatz der Emotionen auslöste. Entscheidend war auch, dass die Botschaft authentisch und nicht aufgesetzt war, weil sie Apples (Steve Jobs) Überzeugung entsprach, die sich in diesem Produkt manifestierte.
Bei der Produktion des Films wurde kaum auf Schauspieler zurückgegriffen, sondern hauptsächlich auf Selbstdarsteller wie Londoner Skinheads oder eine britische Leichtathletin in der Hauptrolle, was sich wiederum auf die Authentizität der Bilder auswirkte. Zudem wurde die Bildsprache an das epochale Science-Fiction Filmwerk „Metropolis“ angelehnt. Ein weiteres Attribut, das Bilder reaktivierte, die bei vielen im Gedächtnis bereits abgespeichert waren.
Motiviert und ermöglicht wurde die Entstehung des Spots überhaupt erst durch Steve Jobs selber, der erneut von seinem Team etwas außergewöhnliches eingefordert hatte. Ironie der Geschichte ist, dass das Management Board, nachdem es den Spot erstmals gesehen hatte, versuchte die Veröffentlichung zu verhindern. Nebenbei ein Beleg dafür, dass das Verlassen üblicher Pfade für Manager offensichtlich auch damals schon schwer war.
Vielleicht war die Zeit damals noch nicht reif, um zu erkennen und wissenschaftlich zu begründen welches neue Gestaltungskonzept hinter diesem Werbefilm stand. Jedenfalls war auch Apple bis heute nicht in der Lage, etwas adäquates in der Marketing-Kommunikation zu reproduzieren, obwohl Steve Jobs es immer wieder einforderte.
Es lohnt sich daher, sich intensiv mit dem Phänomen „Branded Entertainment“ anhand solcher und weiterer Beispiele auseinanderzusetzen und zu eruieren, ob es für die eigene Markenkommunikation auch eine Option darstellt. Die Rezepte dafür liegen vor, mit denen die Adaption und die Umsetzung mit allen inzwischen existierenden Kommunikationsmitteln erfolgversprechend durchgeführt werden können.