Gamification: Von Spielfilm zu Spiel-Film

…eindeutig die Stärke der Games Developer ist.  Die Situation „Lean Backward“  bei den Spielfilmen und „Lean Forward“ bei den Spielen wird auch in den nächsten Jahren nicht zusammenwachsen. Durchdachter Content kann aber erfolgreich für beide Medien angepasst werden, wie die Beispiele „Star Trek“, „Tomb Raider“ und  „Call of Duty“ zeigen. Oder man entwickelt für die Games einen Nebenplot der Spielfilmhandlung weiter. Diese Möglichkeiten, alle Potentiale einer Story auszuschöpfen, wurden im Panel „Von Spielfilm zu Spiel-Film“ auf den Münchner Medientagen diskutiert.

Kompetent im Spiele- wie im Filmbereich sprach Moderator Tim Dümichen (Partner bei der KPMG) mit Experten wie Regisseur Philipp Stennert („Neues vom Wixxer“, „Jerry Cotton“)  und Gunnar Lott (Head of PR, Games Developer Gameforge) über die Konvergenz von Film, TV- und Games-Industrie.

Wer ist zuerst da, die Henne oder das Ei, der Film oder das Game?
Bei „Star Trek“  war es der Film, aber das Spiel mit großer Filmlizenz, entwickelt sich laut Gunnar Lott gut. Es ging ihm nie darum, Film und Spiel absolut gleich zu gestalten oder Star-Trek Schauspieler in das Game zu integrieren. Vielmehr ging es darum herauszufinden, „was für die Star Trek-Welt essentiell ist und für den Gamer ein Erlebnis zu schaffen, dass sich nach „Star Trek“ anfühlt.
Gute Games zu entwickeln dauert oft über zehn Jahre lang, erklärt Michael Heise (Leiter online RTL). Das heißt, man kann nicht einfach ein Game parallel zu einem Film auf den Markt bringen, nicht mal wenn man gleichzeitig startet. Der Film ist in der Regel um einiges schneller fertig!
Was kann ein Games Developer nun konkret von einem Drehbuchautor lernen?
Bei Avatar war der Film sehr gut, sogar 3D hat Spaß gemacht, das Game leider nicht. „Wenn Spiele-Designer emotionale Reaktionen der Zuschauer hervorrufen wollen“, laut Regisseur Philipp Stennert,  „dann müssen sie gutes Storytelling betreiben“.  Filmemacher beschäftigen sich lange mit der Hauptfigur, Gamesautoren sollten das auch so handhaben. „Wenn ich mich emotional mit der Figur identifiziere, dann tut es richtig weh, wenn ich scheitere. Viel mehr, als wenn nur der anonyme Muskelmann mit der Kanone abgeschossen wird.“
Leider machen Gamesautoren häufig Fehler in der Dramaturgie, weil sie damit nicht so viel Erfahrung haben, sagt Nevigo-Geschäftsführer Kai Rosenkranz, der eine spezielle Software für diese Zielgruppe entwickelt hat. Manche Gamesautoren sind schon in der Lage, Charaktere sehr genau zu beschreiben, meint Gunnar Lott. Aber es kann passieren, dass sie am Geschmack der User vorbeiprogrammieren … Er kann sich eine Anlehnung der Games an erfolgreiche US-Serien vorstellen, weil diese insgesamt mehr Anknüpfungspunkte für die Games Developer bieten, als ein einzelner Film. Hier ein Video vom Panel:
Was können nun umgekehrt die Drehbuchautoren von Gamesentwicklern lernen?
Für ein Spiel benötigt man einen 360 Grad Blick auf die Welt. „Environmental  Storytelling“ ist das Schlagwort dazu, das auch den Filmen gut tun würde. Interessant wäre es, die Technik zu nutzen, die in der Spieleindustrie schon seit längerem verwendet wird. Spiele-Engines können 3D-Bilder in Echtzeit erzeugen. Sehr spannend für die Filmbranche, so Philipp Stennert, man setzt Regen ein und der ist sofort zu sehen. Von der technischen Seite her fasziniert es Kai Rosenkranz von Nevigo auch „echte Schauspieler in Gameswelten“ zu bringen. Die Filmproduzenten könnten von der technisch weit fortgeschrittenen Game-Engine-Ästhetik profitieren.
Moderator Tim Dümichen verwies darauf, dass der US-Sportsender ISPN eine Kooperation mit dem Spielehersteller Electronic Arts eingegangen ist.  Der Sport-Engine geht während der Sportberichterstattung auf, der Redakteur zoomt rein und spielt strategisch wichtige Szenen des Spiels direkt nach. Ein gelungenes Beispiel für Technologietransfer aus der Spielebranche.

Und wie ist das mit TV-Content? Wird der bereits in mehreren Medien genutzt?
Das hängt von der Zielgruppe ab, meint Michael Heise von RTL. Bei den sogenannten „Bored Housewives“, den weiblichen Casual Spielern z.B. auf www.spiele.rtl.de, ist das möglich. Ein Game wie „Wer wird Millionär?“ funktioniert dort aber vor allem auch deshalb so gut, weil das Quizspiel selbst gut ist. Bei einem schlechten Quiz würde auch die Sendermarke nichts bewirken. Bei den „richtigen Gamern“ auf www.gamechannel.de funktionieren nur international erprobte Games. RTL TV-Marken, wie z.B.  „Alarm für Cobra 11“ wären dafür nicht international genug ausgerichtet.
Grundsätzlich ist also eher Divergenz angesagt. Die Spieleindustrie hat viele Stunden zur Verfügung und kann einen weiteren Blickwinkel nutzen.  Spiele können zum Beispiel  als „Prequel“ positioniert werden. Der Film Riddick, mit Vin Diesel, fängt mit einer Action Sequenz des blinden Hauptdarstellers an. Das passende Spiel dazu, Pitch Black, zeigt, wie er sein Augenlicht verlor. Michael Heise setzt auf eine getrennte Entwicklung von Film und Games:


Und in Zukunft? „Lean forward“ und „lean backward“?

„Am ‚Lagerfeuer sitzen‘ und ‚mit dem Schwert in den Wald ziehen‘, sind zwei grundverschiedene archaische Dinge“ so Filmemacher Philipp Stennert, „bei denen er nicht den Drang verspürt, diese zwangsweise zusammenzufügen.“ Die Gamesindustrie verfügt seiner Meinung nach selbst über ein großes, bislang noch unausgeschöpftes Potential. Hier ein Video vom Panel:
„Der Blick in die Zukunft ist in der Tat schwierig in der Gamesindustrie“, meint Gunnar Lott, Gameforge. Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass das iPhone die größte Konsole wird und dass Facebookspiele diese unglaubliche Entwicklung nehmen werden.  Das  Userverhalten ändert sich überall. Da kann es auch sein, dass wir unsere Filme in zehn Jahren selber mitgestalten wollen.  Es wird jedoch noch viel passieren, bis wir „in einem Film herumlaufen können“, bis dahin müssten alle pragmatisch das Geschäft für die einzelnen Medien machen.

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Quelle: Logo: kpmg.de