Der letzte größere Fall von Product Placement – im Deutsch der Medienjournalisten stets Schleichwerbung genannt – in einem deutschen Tatort war im letzten Jahr. Der Stern „deckte auf“, was in Branchenkreisen hinlänglich bekannt ist: Die Kommissare aus Konstanz fahren regelmäßig Mercedes-Benz. Ungewöhnlich war an diesem (im Übrigen großartigen) Tatort „Herz aus Eis“ der Umstand, dass für ein Fahrtraining der Polizisten Mercedes-Benz das Fabrikgelände in Rastatt bereitstellte und dies auch der Presse mitteilte. Angesichts der Nähe von Baden-Baden zu Rastatt aus Sicht der Produktion eine nahe liegende Lösung. Insgesamt also war alles im Reinen. Der Versuch des Sterns, diesen Auftritt der Marke mit dem Stern zu skandalisieren, war von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Blickt man in die Geschichte, dann mutet er geradezu niedlich an.
Dass der Tatort für Product Placement in hohem Maße attraktiv ist, liegt auf der Hand. Die Zuschauerzahlen sind auf hohem Niveau stabil und der Look gehört zum Besten, was die ARD zu bieten hat. Im Zuge der Ermittlungen, die verschiedene Sender nach der Schleichwerbung im Marienhof aufnahmen, wurde dies dann auch bestätigt. Konkret wurden im abschließenden Bericht der ARD zehn Tatorte (des SWR und WDR) benannt. Der WDR selbst monierte bei einer weiteren Prüfung der Folgen aus den zehn Jahren zuvor insgesamt 53 Folgen. In der Rückschau stellte aber mancher Redakteur fest, dass hier über das Ziel hinausgeschossen wurde.
In den 90er Jahren ging die ARD sehr viel entspannter mit Werbeverträgen um, die Schauspieler eingegangen waren. Manfred Krug war das Testimonial der Telekom in dieser Zeit. Entsprechend häufig griffen auch Stöver und Brockmöller in den Tatorten des NDR zum Handy. Dass die Telekom als Quasi-Monopolist hiervon profitierte, war klar. Aber auch in den Tatorten selbst kam das Unternehmen sehr gut weg. Auf einem der Kongresse zum Product Placement im Oktober wurde ein Beispiel hierfür gezeigt: Brockmöller recherchierte im Internet. Es kam auf das Portal von T-Online und Stöver lobte dieses über den Klee. Szenisch hervorragend eingebunden, verbal genannt und visuell erkennbar, erfüllte diese Szene alle Anforderungen, die an ein perfektes Product Placement gestellt werden können.
Den Tatort hätte aber auch BMW als Vorlage für die Kooperation mit James Bond nehmen können. In den späten 80er Jahren warb Götz George für die Hustenbonbons der Marke Paroli, die es inzwischen nicht mehr gibt. So entstand unter anderem eine Fernsehspot, den der (vielfache Tatort-) Regisseur Klaus Emmerich mit Götz George drehte. In mehreren Tatorten lutschte dann Horst Schimanski auffällig häufig diese Bonbons. Dokumentiert ist das für die Tatorte „Zabou“ (1990) und „Freunde“ (1986).
Hier schließt sich auch der Kreis. Der damalige Programmdirektor des WDR Günter Struve sprach davon, dass diese Placements mündlich abgesprochen seien. Fünfzehn Jahre stellte er – dann als Programmdirektor für das ARD-Gemeinschaftsprogramm – im Umfeld des Marienhof-Skandals fest, dass ihm solche Praktiken noch nie untergekommen seien: Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Autor: Otto Kettmann von Kettmann & Partner