Serie: Praxisberichte, Teil 1

Als ich vor gut zwei Jahren eine Reederei für Kreuzfahrten als Neukunden bekommen habe, war mir sofort klar, dass ich hier mit klassischen Product Placement nichts ausrichten kann. In Drehbüchern kommen Kreuzfahrten nur beiläufig vor und mit einem einmaligen Auftritt eines Kreuzfahrtschiffes im Hintergrund wäre niemand gedient gewesen. Die Lösung hieß Branded Entertainment (früher auch Programming genannt) und ging wie folgt: Die Integration eines Kreuzfahrtschiffes erfolgt über Bartering, d.h. die TV-Produktionsgesellschaft kann kostenlos mit ihrem Produktionsteam auf einem modernen Kreuzfahrtschiff drehen und dort während der Produktionszeit auch wohnen. Bei einem TV-Movie mit 17 Drehtagen an Bord, handelt es sich um eine Kostenersparnis im unteren sechsstelligen Euro-Bereich. Bartering-Angebote haben zudem noch den großen Vorteil, dass man sich nicht mit den Vermarktern der TV-Sender auseinandersetzen muss. Dies gilt auch bei den öffentlich-rechtlichen TV-Sendern und hier sollte sich das Branded Entertainment für diesen Kunden auch abspielen, weil sich die gehobenen Kreuzfahrten tendenziell besser an die ältere Zielgruppe verkaufen lassen. Insbesondere in den neuen Bundesländern.

Dieses Angebot habe ich schließlich ausgewählten TV-Produzenten zukommen lassen, welche ich gut kenne und welche die für die Reederei relevanten Programmschienen mit TV-Inhalten versorgen. Es kamen sogar gleich zwei positive Rückmeldungen.

Beim ersten Projekt handelte es sich um eine TV-Movie einer TV-Reihe, in welchem man die Hauptdarsteller eine Reise mit einem Kreuzfahrtschiff von Hamburg nach New York machen lassen wollte. Sender und Sendeplatz waren in Ordnung, doch wird die Route Hamburg nach New York nur noch zu Sonderfahrten genutzt. Außerdem wären unsere Schiffe in drei Tagen in New York und in dieser Zeit kann man keinen TV-Spielfilm produzieren. Auch das fünfmalige hin und her fahren zwischen Hamburg und New York wäre keine Option gewesen. In einer längeren Besprechung mit den Kreativen der Produktionsgesellschaft konnten wir uns inhaltlich auf eine Reiseroute von Spanien über die Kanarischen Inseln nach Casablanca einigen. Die Reisezeit betrug insgesamt 17 Tage und nachdem nun noch ein Schiff mit 50 freien Kabinen bei der Reederei im gewünschten Drehzeitraum gefunden werden konnte, war alles vorbereitet. Zur filmischen Umsetzung dieser Kooperation musste ich noch dafür Sorge tragen, dass ein abfahrendes Schiff meines Kunden bereits 3 Monate vor den eigentlichen Dreharbeiten in Hamburg gefilmt wurde, weil mein Kunde nur im Sommer aus diesem Hafen ausläuft. Den Zustieg der Schauspieler konnte man später in Barcelona filmen und im späteren Film sah es dennoch wie ein Zustieg in Hamburg aus. Bei den eigentlichen Dreharbeiten war ich an Bord und habe die Kommunikation zwischen der TV-Produktion und der Reederei vor Ort übernommen. Im laufenden Betrieb eines Kreuzfahrtschiffes mit über 2000 Passagieren an Bord, kann niemand von der Crew für die Dreharbeiten abgestellt werden. Und dies ist absolut notwendig, weil viel spontan zu organisieren ist und man dann sofort wissen muss, mit wem man dieses Problem an Bord lösen kann. Die Kosten bestanden aus dem Bateringvolumen von 32 Doppelkabinen für 17 Tage und meinem Agenturhonorar. Der Kunde wollte das stilisierte Logo im Film sehen, welches an Deck im Hintergrund leicht abzubilden war. Hinzu kam eine Nennung im Nachspann und der durchweg positive Auftritt des Schiffes und der Besatzung im Film. Zum Vergleich: Wir hatten auch das Angebot im RTL TV Movie „Bermuda-Dreieck in der Nordsee” (Ausstrahlung im September 2011) präsent zu sein. Der Auftritt in diesem TV-Movie wäre auch sehr dominant und positiv gewesen, jedoch war das Genre der Action Movies von der Reederei nicht gewünscht. Die Kosten wären hier weitaus geringer gewesen, weil nur 2 bis 3 Drehtage auf dem Schiff stattgefunden hätten. Die Einschaltquote war zwar nicht ganz so hoch, wie von mir kalkuliert aber nahezu identisch mit dem vorstehenden öffentlich-rechtlichen Projekt (knapp 5 Millionen Zuschauer).

Beim zweiten Projekt handelte es sich um eine neue TV-Serie, d.h. mein Bartering-Angebot wurde zur Entwicklung einer neuen Primetime TV-Serie in einem Privatsender genutzt. Hier wurde zunächst ein interessierter TV-Sender gesucht und dann mit einem kleinen Team in einer Woche auf einem Kreuzfahrtschiff im östlichen Mittelmeer ein Präsentationsfilm produziert. Zur ersten Präsentation beim TV-Sender wurden zwei Serienkonzepte für unterschiedliche Zielgruppen entwickelt und eingereicht. Der Sender entschied sind dann für das zweite Konzept und erteilte den Auftrag für einen Pilotfilm. Für uns entscheidend war die Tatsache, dass alles auf einem Kreuzfahrtschiff spielt und dieses hierdurch zur besten Sendezeit im Fernsehen präsentiert wird. Eine Einflussnahme auf die Inhalte dieser TV-Serie fand nur insofern statt, dass eine bestimmte Zielgruppe angesprochen werden sollte und das Kreuzfahrtschiff durchgängig positiv zum Einsatz kommt. Wenn der Pilotfilm entsprechende Quoten generiert, dann wird es ca. 1 Jahr später eine erste Staffel mit 6 bis 12 Folgen geben, welche dann bei Erfolg jährlich fortgesetzt wird. Auch hier bestehen die Kosten für die Reederei aus der Bereitstellung der Kabinen für die Drehzeit und dem Agenturhonorar. Der von der Reederei gewünschte Traumschiff-Effekt tritt erst nach der ersten Staffel einer erfolgreichen TV-Serie auf, d.h. die Buchungszahlen steigen dann signifikant. Jedoch nur für das in der TV-Serie gezeigte Schiff und nicht für die gesamte Flotte. Leider!

 

*Bücher von Manfred Auer: „Product Placement”, ECON Verlag Düsseldorf, 1988; „Marketing für neue Zielgruppen”, verlag moderne industrie Landsberg, 1989; „Social Marketing”, verlag moderne industrie Landsberg, 1991; „Werbung below the line”, verlag moderne industrie Landsberg, 1993; „Top oder Flop – Marketing für Film und Fernsehen”, Bleicher Verlag Gerlingen, 2000.

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